La Paz & Death Road – Mountainbiken auf der gefährlichsten Straße der Welt


Die spektakuläre Lage in einem Canyon des bolivianischen Altiplano, Lamaföten auf dem Hexenmarkt, Mountainbiken auf der Death Road, das schärfste Vindallo der Welt: La Paz ist nicht nur aufgrund ihrer Höhe atemberaubend.

La Paz, Bolivien
11. – 14. & 21. – 23. April 2011

Die siebenstündige Fahrt in den Regierungssitz Boliviens ist ein einziges Highlight. Erst preist uns ein ausdauernder Kosmetikverkäufer mit seinem Mikrofonkoffer lautstark seine Wundermittelchen an, dann lassen uns „Blood & Bone“ und „The Hot Chick“  fremdschämen. Erst die Einfahrt von El Alto in den Kessel La Paz lässt die Augen staunen und nicht tränen.

Wie verabredet, treffen wir in der Hospedaje Milenio auf Morten & Andrea. Wir buchen die Tour nach Tiwanaku, einer archäologischen Fundstätte der gleichnamigen präkolumbianischen Zivilisation, und suchen in der auf über 3600 Meter gelegenen Metropole Abwechslung von Empanadas, Saltenas & Co. Das Essen im „Old Town Thai“ schmeckt zwar nicht nach südamerikanischer, aber auch definitiv nicht nach asiatischer Küche, sondern nach in salziger Brühe schwimmendem, undefinierbarem Zeugs. Waghalsige Sprints über die Hauptstraße El Prado sowie die steilen Straßen der lebendigen Stadt brennen in den Lungen, auch wenn wir mittlerweile an die Höhe Boliviens gewohnt sind. Der Kioskdealer nebenan schreibt uns einen Deckel für mehrere Flaschen des süffigen Inca-Biers, vielleicht weiß er bereits, dass wir am nächsten Tag gar nicht so früh aufstehen müssten.

Beim günstigen Frühstück (1,30€; Brötchen, Rührei, Joghurt, Tee, Kaffee, Saft) um 8 Uhr erfahren wir, dass unsere Tour heute ausfällt. Grund: groß angelegte Streiks & Demonstrationen in La Paz! Wir nutzen den nun freien Tag La Paz Demonstrationund laufen nach Miraflores. Im Amaszonas-Reisebüro buchen wir Flüge (55€) nach Rurrenabaque im Dschungel Boliviens. Nach einer Stippvisite am Siles Stadium nehmen wir den Boardwalk am Mirador Laicacota im Parque Central. Ohne den hektischen sonst üblichen Verkehr können wir die Aussicht auf die Hügelstadt gefahrlos genießen. Nach einem kurzen Kaffee/Mate de Coca-Break erleben wir die bolivianische Protestkultur hautnah. Tausende Menschen quer durch die Bevölkerung forden lautstark, dass Evo Morales seine Versprechungen endlich einlöst, Knallkörperexplosionen hallen durchs ganze Tal. Der Hunger treibt uns zum überaus freundlichen Araber Al Amir, der uns mit reichlich Falafel, Hummus, Linsen und Co für einen Spottpreis versorgt. Nach mehrmonatigem Heckenpennertum wird es für Henning & Morten danach Zeit für einen Friseurbesuch. Mit großem Spaß am Gringo-Designen orientieren sich die Barbiere an Fotos von Cristiano Ronaldo und sonstigen europäischen Mannequins und lassen die Scheren wirbeln. Die überfällige Rasur gibt’s obendrauf. Auch wenn es einen garantierten Gringo-Aufschlag gibt, ist die La Paz HexenmarktProzedur immer noch bezahlbar. Nächstes Ziel ist der berühmte Hexenmarkt mit Lamaföten, halluzinogenen Kakteen und handgemachten bolivianischen Artesanales (quietschbunte Decken, Mützen im Lama-Design, geschmacksverkalkten Happy Pants und Bekleidung aus Alpaca-Wolle). Wir verbinden Bildung und lokale Rauschmittelkultur und besuchen das kleine, aber informative Coca-Museum, dass die Pflanze glorifiziert, den Missbrauch durch den Rest der Welt (besonders der USA) als Droge, Medikament oder Coca-Cola neomarxistisch verteufelt. Wir treffen die Vikingos auf einen Organic Coffee und frisch aufgebrühten Mate de Coca bei Pepe’s Café wieder. Ganz bolivianisch liegt die Besitzerin des Internetshops schlafend unter der Theke, und muss erst einmal von uns geweckt werden, damit sie uns die mittelalterlich anmutenden Rechner zuweisen kann. Abends haut uns im „Star of India“ der Koch mit fantastischen Currys vom Hocker, und bestärkt uns in unseren Überlegungen, Taj Mahal, Ganges und Kashmir in unseren Südostasientrip zu integrieren.

Zu Fuß holt uns die Lady von der an diesem Tag stattfindenden Tour ab, wir passieren mehrere Blockaden und Demonstranten (Lehrer in ACϟDC-Shirts), bevor wir in einen Minibus springen, der hart damit zu kämpfen hat, überhaupt einen Weg aus der abgeriegelten Stadt zu finden. In Tiwanaku klärt uns Guide Leonardo über das Weltbild der Zeitgenossen der alten Römer auf. Wir hören von der heiligen Mutter Erde (Pachamama) sowie der Vergangenheit (Schlange), Gegenwart (Puma) und Zukunft (Kondor). Den Spaziergang über die (im Vergleich mit z.B. Chichen Itza) nicht allzu beeindruckend erhaltenen Tempelanlagen bestreiten wir mit durch Asche katalysierte Coca-Blätter. Nach mehr schlecht als rechtem Lunch geht es zurück nach La Paz, trotz sich zuspitzender Lage („It’s a war back there“) gewährt uns der besorgte Leonardo unseren Wunsch nach einem Foto-Stopp in El Alto mit beeindruckendem Ausblick auf die höchste Hauptstadt der Welt. Wir nutzen die kulinarische Vielfalt der Stadt und kehren abends beim Marokkaner ein, der uns mit Veggie-Couscous bekocht.

Aufgrund der Gewichtsbeschränkungen für die kleine Maschine in den Dschungel deponieren wir drei kleine Taschen Gepäck im Milenio, bevor wir im Café Alex brunchen und der Arbeit nachgehen. Ungewiss, ob wir auf Grund der immer stärker werdenden Proteste überhaupt in Richtung Flughafen kommen, steigen wir ins Taxi. Immer wieder stoßen wir auf Blockaden, immer wieder sucht unser Fahrer einen höher gelegenen Schleichweg. Seinen wortwörtlichen Höhepunkt findet unsere Tour auf einem 2m breiten Schotterweg (noch viel zu harmlos ausgedrückt) entlang eines Berggipfels, der uns letztendlich doch noch auf die gespenstisch leere Autobahn bringt.

Wie unser Amazonas-Trip mit Miniflugzeugen, lokalem Schnaps und Hauskrokodilen  weitergeht, lest Ihr hier.

Zurück in La Paz, beziehen wir erneut Quartier im Milenio. Nach dem Flug über die Anden  begeben wir uns direkt auf die Suche nach dem nächsten Adrenalinkick und durchforsten die zahlreichen Agenturen nach Angeboten für die World’s Most Dangerous aka Death Road.

Auch wenn die Truppe von Gravity Assisted Mountain Biking ein wenig teurer als die Konkurrenz ist, hinterlässt sie mit Abstand den besten, sprich sichersten, Eindruck also buchen wir die Tour dort. Jegliche Vorsicht hinter uns gelassen, gehen wir wieder zum „Star Of India“, das mit einer weiteren Mutprobe lockt. Wer das ultrascharfe Vindaloo (angeblich das schärfste Gericht Südamerikas) bezwingt, wird mit Ruhm und einem T-Shirt bedacht. Henning und die Vikingos nehmen mit der legendären Simpsons-Folge im Hinterkopf den Kampf auf. Schnell kommen die ersten Tränen. Während Morten und Andrea die weiße Fahne schwenken, scheint Henning wie Homer seinen Rachen mit Kerzenwachs ausgegossen zu haben. Viel Schweiß später überreicht der Kellner das heiß begehrte Kleidungsstück.

Um 7.15 Uhr morgens trifft sich die Death Road-Truppe für ein Frühstück, bevor US-Guide Cody in den mit Bikes beladenen Bus von La Paz nach La Cumbre bittet. Eine Stunde später kriegen wir auf 4700m unsere persönlichen Lebensversicherungen (Schutzkleidung & Bikes: Henning auf Colombia, Vera auf Barney Gumble) ausgehändigt. Auf Asphalt machen wir uns 24km lang (mit Oster-Ausflugs-Verkehr) bergab mit unseren vollgedämpften Drahteseln vertraut, bevor wir die World’s Most Dangerous Road entern. Vom Company-Bus abgeschirmt, heißt es nun volle Konzentration. Über Schotter rasen wir talwärts, manchmal lässt einem die Piste nicht mehr als 2 Meter, links von einem lauert der Abgrund. Immer wieder stoppen wir, um Anweisungen von den beiden Guides Cody & Christo (Gravity stellt immer einen Local und einen Grigo) zu erhalten, Wasser nachzufüllen oder nach und nach Schichten aufgrund der immer pralleren Sonne abzulegen. Insgesamt geht es über 40km bergab, nur selten müssen Death Road Bolivienwir in die Pedalen treten. Dafür sieht man regelmäßig Gedenksteine für die auf der Strecke Umgekommenen (unzählige Verkehrsunfälle, insgesamt 18 Biker in 12 Jahren). Unsere Truppe hat Glück, im Vergleich zu den zur Regel gehörenden Knochenbrüchen erwischt es US-Girl Megan mit Abschürfungen und blauen Flecken glimpflich. Wir durchqueren Bäche, lassen uns von Wasserfällen abkühlen und weichen in Kurven lauernden LKWs aus. Kokafelder fliegen vorbei, Endpunkt unserer Strecke ist das Animal Refuge La Senda Verde in Yolosa, wo wir die Körpertemperatur mit einem Bier runterkühlen und Death-Road-Finisher-Shirts abgreifen. Die zahlreichen Volunteers stellen uns die Bewohner des Camps vor: Affe Kaka erklimmt direkt die Schultern seines alten Kollegen, wir kommen den Coaties, Schlangen, Tukanen und Papageien nahe. Mitten im Affengehege chillen wir im Pool, bevor wir beim Lunchbuffet und weiterem Bier wieder zu Kräften kommen. Während ein Teil der Gruppe sich beim Zip-Lining den nächsten Kick holt, bewundern wir bei Backstreet Boys und unserem bolivianischen Lieblingsbier Huari die Kurt-Cobain-Airbrush-Shirts der Locals. Danach geht es ab in den Bus und Marcos kutschiert uns die gesamte Death Roadn Postcard Corner inklusive obligatorischem Stop  bergauf, während Cody den DJ spielt (guter Musikgeschmack der Herr) und erst jetzt mit den teils erschreckenden Geschichten zu den Gedenksteinen herausrückt. Wieder auf Asphalt sacken Biker & Guides nach und nach weg, nur Marcos (Respekt für den schwersten Job des Tages) bleibt bei Brand New, Story Of The Year und Co hochkonzentriert. Da an Karfreitag bei weitem nicht alle Restaurants geöffnet haben, schleppen wir uns zurück in La Paz in Flip-Flops bergauf zu El Lobo, wo es Veggie-Burger & Falafel-Humus-Teller gibt. Unsere für den nächsten Tag geplante Weiterfahrt zur im Titicaca-See gelegenen Isla des Sol steht in den Sternen, da das Hostelpersonal nach zwei Tagen Vorlaufszeit überraschenderweise niemanden mehr um 22 Uhr abends erreicht. Wir zucken bolivianisch mit den Schultern und fallen tot in die Betten.