Hanoi, Halong Bay, Sapa, Vietnam // 12. – 22. Mai 2012
Als wir an Hennings Geburtstag im Bus aufwachen, befinden wir uns schon inmitten des Gewusels in Vietnams Hauptstadt, Hanoi. Taxifahrer machen hier leider keine Geschenke zum Wiegenfest und so warten wir an der Bus-Abladestelle so lange, bis ein Mai Linh Taxi auftaucht, dessen Fahrer sich auf Meter-Fahrten (zu 99% günstiger als vorher verhandelte Festpreise) einlassen. Wir suchen uns ein Guesthouse in der Altstadt und machen uns auf den Weg zur Post am Hoan Kiem Lake. Dort hat man leider keine guten Nachrichten für uns. Der Brief von Hennings Eltern mit der neuen Kreditkarte ist noch nicht da. Das könne oft dauern, sagen die Beamten. Wir bekommen leichte Panik, schließlich läuft unser Visum in zehn Tagen aus und wir sind auf die Karte angewiesen. Wir erkunden das berühmte Old Quarter, stoßen mit billig Bia Hoi an und warten auf die Ankunft von Timm, unserer Bochumer Neuseeland-Bekanntschaft, der in Hanoi seine Asienreise beginnt. Wir geben ihm jede Menge Tipps, er erzählt uns Kiwi-Geschichten, das geht natürlich bei einigen Gläsern Bia Hoi am besten. Am nächsten Morgen sind wir früh auf den Beinen. Das Ho Chi Minh Mausoleum steht auf dem Programm. Als wir den Komplex erreichen, wollen wir schon umkehren. Die Schlange ist ellenlang und Uncle Ho kann nur bis 11 Uhr besucht werden. Doch wenn man erstmal ansteht, geht es recht schnell, weil – wie wir dann im Inneren sehen – alle Besucher zügig durchgescheucht werden. Das Mausoleum ist streng bewacht, man darf nichts mitnehmen, soll stetig weiterlaufen und nicht sprechen – für die kommunikativen Vietnamesen eine echte Herausforderung. Auf der Anlage können ansonsten noch der Fuhrpark, Privatgemächer und Büroräume des Volksidols und einstigen Parteioberhaupts fotografiert werden. Wir verbringen den Nachmittag mit der Suche nach Touren in die Halong Bucht. Preise für 3-Tages-Touren variieren von 45 bis 250 Dollar, die Motivation einiger Travelagents, uns die Unterschiede zu erklären, tendiert gen Null und Fragen sind eh nicht erwünscht. Wir sind froh, als wir schließlich bei Green Mango Travel und Lily Hoang landen. Die sympathische Vietnamesin aus Sapa spricht gutes Englisch, hat eine Engelsgeduld und scheint uns nicht übers Ohr zu hauen. Eigentlich wollten wir Halong und Cat Ba Island im Alleingang machen, doch ihr Angebot ist günstiger. Timm ist auch mit von der Partie und so entscheiden wir uns für die 3-Tages-Cristina Superior Cruise-Tour (eine Nacht auf einem Boot, eine in einem Hotel auf Cat Ba) für 69 Dollar/Person. Bevor wir uns aus dem hektischen Hanoi verabschieden, begeben wir uns noch ins Wasserpuppentheater Thang Long. Diese traditionelle vietnamesische Kunstform verbindet Volkssagen mit Live-Musik und im Pool herumplanschenden Drachen. Wir können den Spaß für wenig Geld (3 Dollar) nur empfehlen.
Unsere Vorfreude auf den Halong Bay-Trip bekommt einen ordentlichen Dämpfer, als uns am Pier in Halong City gesagt wird, dass nur Tagestouren möglich sind. Sturmwarnung! Die Tagesfahrt soll statt der üblichen 18 dann auch mal schlappe 35 Dollar kosten. Wir vermuten totale Abzocke und lassen uns nicht so schnell abwimmeln. Wir schlagen vor, auf eigene Kosten in Halong City zu bleiben und die eigentliche Tour am nächsten Tag zu starten. Falls das Wetter dann nicht besser sei, würden wir den Tagestrip machen. Wir müssen ja eh noch auf die Kreditkarte warten. Die Tourguides finden die Idee gar nicht gut, rufen aber auf unser Drängen hin ihre Auftraggeber an. Und siehe da, eine halbe Stunde später wird uns mitgeteilt: Geht. Wir marschieren mit Gepäck nach Halong City, suchen billige Zimmer und hängen am Strand und Pier rum. Als das Telefon klingelt, freuen wir uns, dass sich die besorgte Lily nach unserem Wohlbefinden erkunden will. Es täte ihr sehr leid, aber mit morgen solle alles gut gehen.
Kurz nach dem Abendessen zieht wirklich ein Gewitter auf und bei dem Wind sind wir froh, nicht auf einem Boot zu sein.
Unsere Sorge, dass man von unserer Umbuchung nichts weiß und uns nicht mitnehmen will, ist zum Glück unbegründet. Unser alter Tourguide ist auch unser neuer und sagt gleich: You vegetarian food, yes? Yes! Das Boot ist geräumig und bietet genug Platz für uns und eine gemischte Gruppe von Austauschstudenten aus Singapur. Wirklich überrascht und begeistert sind wir von Auswahl, Menge und Qualität des Essens, ist dies eines der Hauptbeschwerdepunkte in Foren, Reiseführern und unter Reisenden. Tofuberge, Eier, Gemüsesorten, Reis, Pommes, Huhn, Tintenfisch, Fisch, Salat – darüber können wir uns wirklich nicht beschweren. Unser erster Stopp sind zwei Höhlen, danach geht es zu einem schwimmenden Fischerdorf, in dem wir in Kayaks umsteigen, um die tolle Umgebung zu erkunden. Die unförmigen Karstberge bieten unzählige Fotomotive. Die Nacht verbringen wir in einer Bucht vor der Insel Cat Ba. Trotz immer wieder auftauchender Feuerquallen springen wir vom Deck ins Wasser, das Paddeln zur Leiter erfolgt allerdings leicht panisch. Nach dem (außerordentlich guten) Dinner wird die Klampfe herumgereicht, es erklingen abwechselnd vietnamesische Folksongs, unvermeidliche Lagerfeuer-Grausamkeiten („…wenn der noch mal Wonderwall spielt, gibt’s Ärger!“) und Punk goes Acoustic.
Am nächsten Morgen legen wir auf Cat Ba an und fahren in den gleichnamigen Nationalpark. Die Wanderung zu einem der Aussichtspunkte ist anstrengend und schweißtreibend, vor allem, weil der Weg eher einer Matschpiste gleicht. Mit dem in der Tour gebuchten Hotel sind wir mehr als zufrieden. Der Nachmittag steht zur freien Verfügung. Mit Lilys Karte bewaffnet machen wir uns auf die Suche nach Cat Co 3, dem Strand Nummer 3, der ihrer Aussage nach am schönsten und leersten sein soll. Lily hat natürlich recht, bei einem Spaziergang schauen wir uns auch noch die anderen Strände an, die mit Nummer 3 nicht mithalten können. Am dritten Tag fahren wir mit dem Schiff zurück nach Halong City und werden nach dem Mittagessen in einen Minibus nach Hanoi verfrachtet. Unser erster Gang führt natürlich mal wieder zur Post. Kopfschütteln, kein Brief da und nur noch 5 Tage Visum. Wir überlegen hin und her. Visum für 30 Dollar verlängern lassen, Kreditkarte erneut sperren und eine neue beantragen lassen. Wir sind ratlos! Lily empfängt uns mit offenen Armen und China-Visa in unseren Pässen. Immerhin eine gute Nachricht. Wieder einmal überraschend: Anders als in Westeuropa, Australien usw. mussten wir hier für den Antrag nur unsere Heimatadresse und die Namen unserer Eltern angeben, keine Reiseroute, Hotelreservierungen oder Flugtickets. Wir haben nämlich schon einige Reisende getroffen, die uns von ihren Problemen mit dem chinesischen Visum erzählten. Gemeinsam mit Timm finden wir uns wieder auf der Bia Hoi Street ein. Die Vietnamesen am Nachbartisch testen ihre Englischkenntnisse an uns und wollen Telefonnummern austauschen. Kurzer Schreckmoment, als sich Polizeiautos ankündigen. Hektisch räumen die Betreiber ihre kleinen Plastiktische und –stühle weg und fordern uns auf, unser Bier zu leeren. Wir und hundert andere Menschen stehen also auf einer kleinen Straße und starren in die Gegend. Gar nicht auffällig! Und die Polizei weiß bestimmt erst seit gestern von der in allen Karten und Reiseführern erwähnten Bierstraße… Wie auch immer, nach fünf Minuten ist alles vergessen, alles sitzt wieder und die nächste Runde Bier wird gezapft.
Der Temple of Literature ist unser Ziel am nächsten Tag in Hanoi. Der Konfuzius-Tempel beherbergte die erste Universität Vietnams. Wir haben mittlerweile beschlossen, unser Visum verlängern zu lassen, um auch noch die Reisberge von Sapa sehen zu können. Bevor wir zu Lily gehen, führt unser Weg zur Post. Man kennt uns und zeigt uns freudestrahlend einen Haufen neuer Post inklusive eines Briefes mit Adresse in einer bekannten Handschrift – das Päckchen schafft’s auf den allerletzten Drücker. Ungeöffnet und mit neuer Kreditkarte. Wir können unser Glück kaum fassen. Am letztmöglichen Tag vor der Visumsverlängerung (die ein paar Tage in Anspruch nimmt)! Lily freut sich mit uns und wir buchen die Sapa-Tour für den nächsten Tag. Abends gibt es ein erneutes Wiedersehen mit dem Briten Scott, mit dem wir uns im (schrecklichen) Hanoi Backpackers verabredet haben. Hostel-Hochhäuser aus Australien lassen grüßen. Wie kann jemand freiwillig hier absteigen und für ein Dormbett mehr zahlen als wir für unser Doppelbett? In der Bar sind alle Tische belegt und die Backpacker stopfen Pizza, Burger und teures, importiertes Bier in sich hinein. Um die Ecke kostet Essen 1 Euro und Bier 13 Cent. Dahin verziehen wir uns auch schnell.
An unserem letzten Tag in Hanoi müssen wir dann doch noch mal zur Post. Ein weiteres Paket geht auf Reisen. Wir verabschieden uns mit einem letzten Bia Hoi von Timm und steigen in den Nachtzug ins 280 Kilometer entfernte Bergdorf Sapa. Unser 4-Bett-Abteil haben wir ganz für uns. Da unser Visum nur noch zwei Tage gültig ist, starten wir schon am Ankunfts-Morgen mit unserem 2-Tages-Trek durch die Reis-Terrassen. Guide Sam ist im fünften Monat schwanger, aber noch beweglich wie ein Turnschuh. Das Baby ist auch bereits Kind Nummer 3 für die 21-Jährige. In unserer Gruppe ist Henning der Hahn im Korb, die Teams Israel, Australien, Neuseeland und Kanada sind alle weiblich. Auf der Wanderung durch die Felder, vorbei an arbeitenden Menschen und unseren Lieblingen, den Wasserbüffeln, schließen sich schnell einige Hmong-Frauen und Kinder an. Deren helfende Hände können wir auch gut gebrauchen, sind einige Abschnitte der Wege doch sehr rutschig. Die Landschaft ist wirklich beeindruckend und wir sind froh, dass wir den Abstecher noch gemacht haben. In den Dörfern um Sapa leben zahlreiche ethnische Minderheiten, so auch im Ta Van Village, dem Ort unseres Homestays. Der zweite Tag führt uns durch einige Dörfer zu einem Wasserfall und über eine Hängebrücke zu einem weiteren Dorf, wo unsere Wanderung mit einem Essen endet. Zurück in Sapa beschließen wir, die Einreise nach China selbst in die Hand zu nehmen und buchen nur einen Bus bis zur nahegelegenen Grenze. Die Preise für Bustickets nach Kuching übersteigen unsere recherchierten Angaben doch stark. Den letzten Abend nach einem tollen Monat in Vietnam verbringen wir mit den Kanadierinnen Samantha und Emma sowie Kiwi Melanie mit dem von uns favorisierten Essen aus dem Claypot.